Bei der Friedenskirche geht´s rund
Gemeindeprofil Friedenskirche Ludwigshafen
1. Vorgeschichte
Kirche in der Stadt ist vom demographischen Wandel durch Migration, hohe
Fluktuation und Milieu-Verschiebungen in ganzen Wohngebieten besonders
betroffen. In der Gemeinde der Friedenskirche wirkte sich dies so aus, dass sie
heute nur noch ein Fünftel der Größe ihres Gründungsjahres (1956) ausmacht.
Zugleich besitzt sie mit der Friedenskirche ein repräsentatives Gebäude mit
einem hohen Identifikationswert für die Kirche in der Stadt. Für die Bedürfnisse
der Gemeinde allein ist sie mit ihrem Raumangebot von 700 Plätzen mittlerweile
deutlich zu groß. Zudem kann sie von der kleiner gewordenen Gemeinde mit
klassischen Mitteln alleine nicht unterhalten werden. Die
grundsätzliche Frage
war: Soll die Kirche aufgegeben werden - und damit
die Kirche in der Stadt sichtbar weniger Präsenz zeigt – oder kann dieses
große, städtebaulich bedeutsame Kirchengebäude sinnvoll genutzt, verantwortlich
und nachhaltig unterhalten und bewirtschaftet werden. Das Presbyterium
beantwortete diese Frage
auf einer Klausurtagung mit der Entwicklung des
Konzeptes einer Kultur- und Veranstaltungskirche (Gemeindeleitbild 2010) und
orientierte sich dabei an Modellen aus Köln oder Hamburg. Parallel dazu läuft
dazu im Kirchenbezirk der Zukunftsprozess um u. a. die Fragen zu klären, welche
Schwerpunkte oder Profile die Gemeinden in einer sich verändernden städtischen
und demographischen Situation entwickeln können.
2. Gemeindeleitbild 2010
„Die evangelische Kirche hat die Tragfähigkeit ihrer Glaubensüberlieferungen und Traditionen, die Faszination des Heiligen und Geheimnisvollen und die Symbolkraft ihrer Kirchenräume wiederentdeckt. Ihre Kirchengebäude markieren vielfach Zentralpunkte der Stadt. Sie laden ein zur Begegnung mit der geistlich-spirituellen Dimension des Lebens und bewähren sich als ein Forum für das kulturelle Leben und das Stadtgespräch zu sozialen und politischen Fragen.“ (aus: Gott in der Stadt, Perspektiven evangelischer Kirche in der Stadt, EKD-Texte 93, 2007)
Die Zukunft der Friedenskirchengemeinde soll auf
2 Säulen
stehen:
Die Friedenskirchengemeinde ist Gemeinde- und
Kulturkirche.
Für eine reine
Gemeindekirche ist das Gebäude der Friedenskirche in der Relation zu der Zahl
der Gemeindeglieder zu groß und kann wegen der hohen Fixkosten finanziell nicht
überleben. Als reine Kulturkirche (bzw. Veranstaltungskirche) verlieren die
Menschen in der Gemeinde ihre spirituelle und kirchliche Heimat. Beides zu
verbinden, kann eine interessante Symbiose von gemeindlichen und kulturellen
Aktivitäten ergeben, die sich gegenseitig befruchten. Die Architektur der
Friedenskirche verbindet in einzigartiger Weise Kirche und Welt, Gott und
Mensch, religiöse und alltägliche Erfahrung:
Als Kulturkirche setzen wir einen Schwerpunkt durch ein breites Angebot unterschiedlicher Veranstaltungen aus dem kulturellen Bereich. Kulturveranstaltungen im Raum der Kirche sind ein spezifischer Ausdruck des kirchlichen Verkündigungsauftrages und stellen eine missionarische Chance für die Kirche in Ludwigshafen dar. Aufgrund ihrer Architektur und Infrastruktur bietet sich die Friedenskirche für diese gesamtkirchliche Aufgabe an. Unsere Zielgruppe ist dabei neben dem Kirchenbezirk mit allen seinen Gemeinden und Institutionen die ganze Kulturgemeinde der Stadt Ludwigshafen. Wir ergänzen so das breite Kulturangebot der BASF und der Stadt Ludwigshafen, kooperieren mit weiteren Kulturträgern, Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen und laden alle Interessierten zur Mitarbeit und Unterstützung ein.
Als Gemeindekirche bieten wir den Menschen in unserem Gemeindebezirk mit Kirche und Kindergarten einen lebendigen Raum der Begegnung. Wir begleiten sie in unterschiedlichen Lebenssituationen und laden zu einer Vergewisserung in Glaubens- und Lebensfragen ein. Wir feiern vielfältige Gottesdienste für alle Generationen und möchten mit unseren Angeboten ein erlebbares Miteinander ermöglichen.
3. Beauftragung
Am 9. März 2013 beauftragte die Bezirkssynode Ludwigshafen im Rahmen eines seit einigen Jahren laufenden Zukunfts-Prozesses die Friedenskirche als Kultur- und Veranstaltungskirche des Kirchenbezirks, wobei finanzielle Zusagen mit dieser Beauftrag nicht verbunden sind.
Dabei wird festgestellt:
Die Kulturkirche ist ein Raum des kulturellen Experiments, des spirituellen Spiels oder der Sinnsuche. Die Kulturkirche ist offen für unterschiedliche kulturelle Sparten wie Musik, Bildende Kunst, Theater, Tanz, Film, Literatur. Kulturveranstaltungen im Raum der Kirche sind ein spezifischer Ausdruck des kirchlichen Verkündigungsauftrages und stellen eine missionarische Chance für die Kirche in Ludwigshafen dar. Mit einer Kulturkirche unterstützt der Kirchenbezirk wahrnehmbar die Entwicklung der Stadt.
4. Konkretion
Bei der inhaltlichen Gestaltung dieses Profils wird intern noch einmal zwischen den Angeboten im Bereich der Kulturkirche und denen im Bereich der Veranstaltungskirche unterschieden, auch wenn diese Differenzierung in der Außenwahrnehmung kaum relevant ist.
Unter Angeboten der Kulturkirche werden dabei „Eigenproduktionen“ verstanden, bei denen die Gemeinde oder der Förderkreis Friedenskirche als Veranstalter agiert. Dazu gehören neben den Angeboten und Konzerten über das Bezirkskantorat jeweils eine Reihe im Frühjahr und Herbst. Über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen werden hierin , im Frühjahr um ein Ausstellungsprojekt herum, in einer wiedererkennbaren Zeitstruktur Vorträge, Gottesdienste, Andachten und Konzerte angeboten, in Kooperation und Vernetzung mit kirchlichen und nicht-kirchlichen Institutionen, wie Schulen und Universitäten, Klinikum, unterschiedlichen Kulturträgern, BASF. Finanziert werden diese Projekte durch Sponsoren. Eine Fundraising-Strategie ist auch ein Ausdruck der Vernetzung. Rückblicke auf die Reihen „Prager Passion“, „Slevogt-Passion“, „Passion expressiv“, „Luther bewegt“, „Gesundheitstage“, „Chinatage“, „ Brasilientage“ sind auf der Homepage www.kulturkirche-ludwigshafen.de nachzulesen.
Als Veranstaltungskirche wird das Kirchengebäude anderen Anbietern (oft Agenturen) für kulturelle Aktivitäten vermietet. Das Spektrum reicht hier von Klassik bis Popularmusik, Ausstellungen und Installationen bis hin zum ganz experimentellen Bereich. Zu Gast waren unter anderem Justus Franz, der Europäische Kammerchor, Marschall und Alexander, die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, der Beethovenchor Ludwigshafen und der Chor für geistliche Musik Ludwigshafen. Neben dem praktischen Nutzen - die Einnahmen dienen dem Gebäudeunterhalt – wird auch hier Kirche in der Öffentlichkeit wahrgenommen. So unterschiedlich diese Angebote sind, so unterschiedlich sind auch die Milieus, die hier angesprochen werden. Diese Vielfalt ist beabsichtigt, wobei der besondere Charakter des Kirchengebäudes zu berücksichtigen ist.
5. Entwickeln neuer Identitäten
In 42 Einzelveranstaltungen der Kultur- und Veranstaltungskirche kamen im Jahr 2013 über die gemeindlichen Angebote hinaus, in der Summe 6.500 Besucherinnen und Besucher zur Friedenskirche. Sie treten auf niederschwellige Weise in den Raum der Kirche ein und erleben die Veranstaltungen so auch in einer expliziten oder impliziten religiösen Dimension. In der Verbindung von Kultur- und Gemeindekirche wird von ihnen der besondere Charakter des Veranstaltungsortes wahrgenommen, da hier auch regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden. Sie suchen zwar nicht die Verbindlichkeit einer parochialen Gemeinschaft, wohl aber „Begegnungen mit dem Heiligen“. Ihre kirchliche Bindung reicht von Beheimatung in einer Gemeinde, über passive Mitgliedschaft bis hin zu ausgesprochener Kirchendistanziertheit. In diesem Sinne ist eine Kultur- und Veranstaltungskirche auch eine „Kirche bei Gelegenheit“. Zugleich prägen die Erfahrungen hier die Wahrnehmung von Kirche insgesamt. Manche kommen einmal, themen- und projektbezogen, andere nehmen immer wieder die Angebote wahr und nehmen immer wieder an unterschiedlichen Veranstaltungen und Gottesdiensten teil, schätzen die offene Atmosphäre und Gastfreundschaft. Die beiden Säulen als Kultur- und Gemeindekirche bereichern sich so wechselseitig sowohl geistig als auch geistlich. Für eine Gemeinde als Trägerin einer Kulturkirche ergeben sich Synergieeffekte im freiwilligen Engagement und in der Stärkung bei der Identifikation mit der eigenen Gemeinde. Dennoch wird auch eine Problematik deutlich: Die Kultur- und Veranstaltungskirche bedarf eines hohen ehrenamtlichen personellen Aufwands für Ideensuche, Planung, Öffentlichkeitsarbeit, Organisation und Logistik. Und wenn von den Besuchern die Kirche jedoch stärker als „Angebotskirche“ und weniger als „Beteiligungskirche“ wahrgenommen wird, müssen neue Engagement-Stile entwickelt werden, um die Balance zwischen beiden Konzepten sicher zu stellen.